Publikationen, Projekte, Persönliches

25.02.2015

Mich gibt's nur in Wohlfühlgröße (Wochengedanke II)

Teil 2 von 52 - mal sehen, ob ich das wirklich zusammen bringe, aber bisher ist die größte Frage, wie man eine 52 in römischen Ziffern schreibt...aber es wäre ja auch ein langweiliges Jahresprojekt, wenn man dabei nichts lernen würde!;-)

Hier also eine kleine Geschichte aus der letzten Woche - Disclaimer: Diese Annekdötchen sind kurz zusammengebastelt und sollen/können keine erschöpfende Darstellung von irgendwas sein! Anregungen, Kritik und eigene Erfahrungen gerne in die Kommentare.

Ich hatte in der letzten Woche einen ganz langweiligen Routine-Untersuchungs-Termin bei meiner Ärztin, über den ich mich seitdem ein wenig amüsiere, denn der Auftakt des Gespräches verlief so:
- "Ach Frau Sonntag, Sie habe ich ja lange nicht sehen!"
- "Öhm ja, seit 6 Monaten nicht, wie immer..."
- "Tatsächlich? Das kommt mir aber länger vor."
- "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich im September noch hier war."
- "Ach ja, hier steht's auch. Na dann habe ich Sie einfach sehr vermisst!"

Man möchte jetzt bitte nicht annehmen, dass ich von meinen Ärzten gestalkt werde, oder so oft in irgendwelchen Sprechstunden auftauche, dass das negativ auffällt, wenn ich mal gesund bin - beides trifft absolut nicht zu!;-)
Tatsächlich scheine ich bei dieser Ärztin nur einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben und das ist in sofern für mich ein kleiner Erfolg, weil es eine Geschichte aus dem Kommunikations-Buch "Stand Up for Yourself" ist, die tatsächlich erfolgreich verlaufen ist. Und die Idee, dass man mit einem erwachsenen, Argumentbasierten Gespräch tatsächlich Probleme auf eine positive, rationale Weise lösen kann, ist ja schon ein aufbauender Gedanke, wenn man sich in der Welt manchmal so umschaut...;-)
Was war passiert?

Vor 2-3Terminen äußerte ich ihr gegenüber im Vorbeilaufen, dass ich überlegte mir nochmal Akkupuntur für meine Nackenverspannungen verschreiben zu lassen - das lag daran, dass wir schon öfter über Akkupuntur gesprochen hatten, die sie auch anbietet, aber nicht als Kassenleistung, weswegen ich dachte sie könnte mir vielleicht einen Kollegen empfehlen (bei meinem Hausarzt ginge das auch, aber die Terminwartezeiten sind chronisch ewig.)
Diese nebensächliche Bemerkung artete dann in eine Diskussion aus, in der sie mir zu verstehen geben wollte, dass ich ja "nur 10 oder 15 Kilo abnehmen müsste", um mich wieder besser zu fühlen.

Zunächst mal, kann man unterstellen, dass es vielleicht eher mein 8-Stunden/Tag Bürojob ist, der zu Nackenverspannungen führt, aber selbst wenn sie irgendeine Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite gehabt haben könnte, hat sie das leider in einem Worst-Case-Scenario zu vermitteln versucht. Es fielen Sätze wie "In Ihrem Alter verzeiht Ihnen Ihr Körper Ihren Lebenswandel vielleicht noch, aber wenn sie älter werden..." und "Wenn Sie Ihr Gewicht unter Kontrolle gebracht haben, werden Sie bestimmt viel zufriedener mit sich sein und dann hat man auch weniger Schmerzen.". Das Ganze gefolgt von der Story ihrer neuen Diät, ihren Diätzielen und ihrem Wunschgewicht blablabla.

Vermutlich muss man nicht unbedingt Size Acceptance Aktivist sein, um zu verstehen, warum mir da erst einmal der Mund offen stehen geblieben ist, aber ich schlüssele es trotzdem gerne nochmal auf:
1. Es war NIE Thema zwischen uns was mein "Lebenswandel" ist - weder was ich esse, noch wie/wie oft ich mich bewege, war irgendwie mal angesprochen worden. Ihre Überzeugung, dass ich ungesund lebe, hing also einfach nur mit ihrem Vorurteil zusammen, dass niemand übergewichtig sein kann, der nicht jeden Tag eine Sahnetorte vor dem Fernseher verputzt. Und ich bin mir sicher, dass auch sie in ihrem Freundeskreis Menschen haben wird, die sich gesund ernähren ohne davon "dünn" zu werden und Menschen, die "dünn" sind, obwohl sie sich nie bewegen und den größen Mist in sich reinfressen. Aber unsere geliebten Vorurteile hängen uns nach, egal ob es um Dicke, Hartz4-Empfänger oder Ausländer oder sonst eine beliebige Gruppe geht - und so wurde dann auch jeder (zugegebenermaßen zunehmend einsilbige) Protest meinerseits, dass ich mich sehr wohl genug bewege und gesünder esse, als so manch dünne Person mit so einem "ja das kann ja wohl nicht sein" abgetan.

2. Ich bin mir bewußt, dass nicht jeder Arzt einen Abschluss in Psychologie hat, aber den habe ich auch nicht und trotzdem erkenne ich Projektion, wenn ich sie sehe. Mir also zu unterstellen ich könne nicht "zufrieden" mit mir sein solange ich nicht dünn bin, ist also eher eine Geschichte über sie und ihre Diät und ich empfinde es übrigens als persönlich ziemlich beleidigend, wenn man mir sagt, ich könne nicht zufrieden sein "so wie ich aussehe".
Ich bin zufälligerweise ziemlich zufrieden mit meinem Körper, meinem Trainingspensum und meiner Ernährung und das ist nicht zufällig immer so gewesen, sondern ist das Ergebnis jahrelanger Disziplin, Recherche, Monate- und Jahrelangem Trial & Error in allen möglichen Bereichen, etlichen Arztbesuchen in allen erdenklichen Richtungen und einem nicht unerheblichen Maß an De-Konditionierung. Man mag es mir daher vielleicht nachsehen, wenn ich ein klitzekleines bißchen angepisst bin, wenn nach all dieser harten Arbeit irgendwelche anderen Menschen ihren "Nie Gut Genug"-Angst-Müll wieder vor meiner Tür abladen wollen - ich habe in jahrelanger Mühe meinen Kopf davon freigemacht und diese Arbeit kann ich niemand anderem abnehmen, ich bin nicht die Seelenputzfrau der Nation!;-)

Im Gegensatz zu ihr bin ich also zufrieden mit all den wichtigen Dingen, die mein Körper für mich tut - wir haben eine gute Beziehung in unserer ZwangsWG und ich empfinde ihn nicht als "Hindernis", das ich überwinden muss, sondern als Freund, der meine Pflege und Wertschätzung verdient hat, auch wenn wir vielleicht nicht immer einer Meinung sind (aber dafür sind Freunde ja da;-). Das sie noch nicht an diesem Punkt ist, ist zwar schade, aber es ist in meiner Vorstellung nicht die Aufgabe eines Arztes das Selbstwertgefühl seiner Patienten in Frage zu stellen - man möge mich verbessern wenn ich mich irre, aber nach meiner Erfahrung hat Selbsthass noch niemanden gesünder gemacht?

Aus diesem Grund war ich ziemlich angefressen, als ich aus der Praxis ging und war wirklich überzeugt, dass ich mir eine andere Ärztin suchen würde und habe mich natürlich erstmal lautstark aufgeregt. ;-)

Von Tine bekam ich dabei die Rückmeldung, dass sie eine im Prinzip ganz ähnliche Situation mit einem behandelnden Arzt hatte und sich die Mühe gemacht hat ihm/ihr per Mail nach dem Gespräch diesen Artikel zukommen zu lassen, um darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr zeitgemäß ist Menschen Gewichtsreduktion als Allheilmittel verkaufen zu wollen und dass er/sie mal darüber nachdenken könnte Patienten eine gesündere Lebensweise ans Herz zu legen, egal ob sie davon dünner werden - gesünder (und darum sollte es beim Arzt gehen, no?) werden sie nach heutigen Forschungsstand nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotzdem.

Ich bin nicht so der Typ, der sich auf Research-Battles einlassen will - nicht weil ich dumm bin, aber weil ich mir meine Kämpfe gut aussuche ;-) - aber andererseits hatte ich auch eigentlich keine Lust schon wieder einen neuen Arzt zu suchen.

Also bin ich mit ein paar Vorgedanken zu meinem nächsten Termin und konnte so auf die Frage "Und? Haben Sie ein bißchen abnehmen können?" einen Dialog anfangen, der vor allem für mich klarstellen sollte, dass ich ihre Aussagen im vorherigen Gespräch unangemessen fand. Ich habe freundlich darauf hingewiesen, dass mein Körpergewicht seit 20 Jahren stabil ist, also nicht "unter Kontrolle" gebracht werden muss, dass ich sehr wohl mit mir zufrieden bin und es daher begrüßen würde, wenn sie nicht von sich auf andere schlösse, um mir dabei unterschwellig vorzuwerfen, ich würde mich und andere anlügen. Ich habe weder das eine noch das andere nötig (und ich glaube sie war ehrlich erschrocken, dass das so negativ rübergekommen war, aber dass wir es "nicht böse gemeint" haben, ist nicht immer eine Entschuldigung^^).
Zum Schluss habe ich ihr noch ans Herz gelegt in den besagten Artikel mal reinzulesen, weil ihr das vielleicht dabei helfen würde ihre eigene Ernährungsumstellung weniger kritisch zu hinterfragen, nur weil sie damit nicht soviel oder soschnell abnehmen würde, wie gehofft/versprochen - eine gesunde Lebensweise ist eine gesunde Lebensweise ist eine gesunde Lebensweise, an deren "Effektivität" auch ihr willkürlich gesetztes und vielleicht nicht erreichtes Wunschgewicht nichts ändert. Das war im übrigen ein freundlich gemeinter und völlig optionaler Hinweis, sollte man mir da jetzt irgendwie Gernzüberschreitendes Verhalten unterstellen wollen.;-)

Ich weiß daher auch nicht, ob sie den Artikel je gelesen hat, aber ich finde es positiv, dass meine Botschaft scheinbar angekommen ist und wir uns seitdem gerne über leckere Rezepte für Obstsalat, oder unsere Workout-Präferenzen unterhalten können. Dagegen hatte ich ja auch nie etwas einzuwenden. ;-)

5 Kommentare:

  1. Wheee :D
    Und wieder ward die Welt ein klitzekleines bisschen besser :)

    Ich war ehrlich gesagt auch überrascht, dass meine Hausärztin den Artikel (oder zumindest meine Zusammenfassung) tatsächlich gelesen und sich zu Herzen genommen hatte.
    Im Allgemeinen hab ich eine ganz gute Meinung von Ärzten, aber meine schlechte Meinung von Menschen im Allgemeinen überwiegt anscheinend öfter mal.

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  2. Auch Ärzte müssen inzwischen auf ihren Ruf achten.
    Seit dem es Bewertungsportale im Internet gibt, mussten sie leider feststellen, dass hier mal eher eine unzufriedener Patient seinen Frust ablässt und es wirklich Auswirkungen auf ihre Praxis hat, wenn da etwas nicht so schönes steht.

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    1. Wobei ich ja zugeben muss, dass ich diese Art von Feedback ganz nützlich finde. Klar gibt's bestimmt auch Leute, die schnell mit negativen Kommentaren bei der Hand sind und das ist sicherlich nicht immer gerechtfertigt - andererseits finde ich grade bei so einem wichtigen Thema wie Gesundheit ist es schon auch vorteilhaft, wenn sich die Dienstleister in dem Gebiet etwas mehr Mühe geben müssen, um eine positive Kooperation mit ihren Patienten zu erreichen. Im besten Fall sollte man ja miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. :-)

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  3. Sagen wir mal so, jede konstruktive Kritik ist sinnvoll. Leider gibt es zwei Dinge, die hier schief laufen können. Zum einen, dass die Kritik nicht konstruktiv ist (lassen wir die Diskussion wie sie formuliert sein sollte usw.) und die andere das die andere Person in der Lage ist, mit Kritik umzugehen.
    Wenn beides passt, ja dann kann da ganz fabulöses heraus kommen. :-)

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  4. Klar, Kritik und Feedback funktionieren nur dann, wenn sich beide Seiten Mühe geben - das ist ja quasi der "Erfolg" in meiner kleinen Geschichte. ;-)
    Ich denke nur Email und Internet können zu so einem Austausch beitragen - ich bin zum Beispiel meistens nicht schlagfertig genug mich gegen Dinge, die ich unangemessen finde sofort angemessen zu "wehren" und es gibt bestimmt Menschen, die solchen Konfrontationen lieber komplett aus dem Weg gehen. So lernt aber im Zweifel keiner von beiden was dazu, was schade ist - ich glaube ja an das Gute im Menschen und das wir alle gerne lernen möchten besser miteinander auszukommen. ;-)
    Ich kann mir ja als Patient (oder als Freund, oder als Mensch allgemein) immer nur Mühe geben mein eigenes Verhalten so reflektiert und fair wie möglich zu gestalten - wenn das auf der anderen Seite aber nicht ankommt (warum auch immer, manchmal kommt man einfach nicht miteinander aus), dann muss man sich Optionen überlegen und eine Email schreiben, oder einen Kommentar in einem Portal, das der Arzt wohl auch liest, ist ja nur eine davon.

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Vielen Dank!